, Hannover, Oliver Ruf, 2013.
Auf der Suche nach der Wirkung von Goethes Schweizer Reisen auf sein Werk wur-den viele Landschaftsbeschreibungen in Faust I und II aufgedeckt, in denen Ähn-lichkeiten zur Alpenlandschaft zu erkennen sind. Elemente der Berglandschaft setzte Goethe nicht nur zur Darstellung einer äußeren Landschaft ein, vielmehr ist die Berg-landschaft in Faust eine »Landschaft der Seele«. An 21 Stellen aus beiden Teilen der Tragödie konnte eine Einwirkung der Schweizer Reisen festgestellt oder vermutet werden. Dabei kann man drei große Bereiche unterscheiden: Die Berglandschaft fun-giert als Folie für die eigene Seele, symbolisiert das sozialpolitische System oder aber die metaphysische Ebene. Die Deutung der Bergsymbole basiert entweder auf einer Analogie zwischen dem Symbol und seiner Bedeutung und ist daher metaphorisch motiviert, oder geht von einer räumlichen Beziehung zwischen den Protagonisten und dem jeweiligen Ort aus und ist metonymisch motiviert. Goethes Wanderungen in der Alpenlandschaft, seine präzisen Beschreibungen in seinen Tagebüchern, in Briefe aus der Schweiz, in Reise in die Schweiz 1797 und später in Dichtung und Wahrheit schlagen sich in der lexikalischen Form der Symbole nieder. Goethe präzisiert die Bestandteile der Natur nicht selten durch Ad-hoc-Komposita, die oft aus zwei Ele-menten derselben Landschaft bestehen. Dadurch wird die Beschaffenheit dieser Ele-mente intensiviert, z.B. Gipfelriesen (FII, V.4695) oder Felsenabgrund (FII, V.11867). Anzumerken ist hier, dass die Substantivierung und Verknappung als Cha-rakteristika des Goetheschen Altersstils betrachtet werden. Die Wiederkehr bestimm-ter, symbolisch deutbarer Berglandschaftselemente erfolgt anhand von lexikalischen Wiederholungen in Simplexen wie Höhle, Paß oder auch als Bestimmungswort in Komposita wie Felsenschrift, Felsgebirg (FII, V.10428, 10430). Syntaktisch fallen Attribuierungen eines Naturelements anhand eines Genitivattributs auf, das zur se-mantischen Hervorhebung oft selbst auch ein Naturelement verbalisiert, z.B. Paß der engen Klause (FII, V.10372). Außerdem können semantische Wiederholungen als Indizien für eine bestimmte Symbolik gelten, u.a. durch Kohyponyme, wie Strom, Schwall, Flut (FII, V.10725-10733) oder durch Pleonasmen, z.B. enger Paß (FII, V.10540). Antithesen weisen auch auf die zu vermutende Deutung einiger Naturele-mente hin, wie im Tal grünet – raue Berge (FI, V.905-907). Zum Schluss bleibt an-zumerken, dass die Untersuchung der Berglandschaftselemente in beiden Teilen der Tragödie viele Parallelen aufzeigen konnte; einige Motive verschaffen eine Verbin-dung beider Teile miteinander: So gilt die Höhle als der sichere Ort für Fausts Inneres bzw. für seine Seele sowohl in der Anfangsszene des ersten Teils (Nacht) als auch in der Schlussszene des zweiten (Bergschluchten). Auch die widerspiegelnden Felsen-wände könnten sowohl in Wald und Höhle (FI) als auch in Arkadien (FII) als Selbst-entdeckung durch die Rückkehr zur Natur interpretiert werden.