, Istanbul, 2009, 2011.
Innerhalb der Emigrationswelle von deutschen Intellektuellen nach Amerika, als Folge der nationalsozialistischen Verfolgung, ragt sich der Name Oskar Maria Graf hervor, als einer von wenigen Schriftstellern, die in Amerika sich etablierten und dort bis zum Lebensende blieben. Sein Roman „Die Flucht ins Mittelmäßige. Ein New Yorker Roman“ (1959) und drei seiner Erzählungen (Bill sagt nein, Der Herr mit dem seidenen Halstuch und Der unheimliche Nach-bar. Eine New Yorker Geschichte) verfügen über eine Reihe von nicht-lexikalisierten Expressi-ven Komposita, die das Exil und das Leben der Exilanten darstellen, oder auch Erinnerungen an die Heimat, an die Kindheit und an den Krieg schildern. Registriert wurden 57 Expressive Komposita, die in vielfacher Hinsicht innovativ sind. Eine Rarität bilden u.a. die Abstrakta als Erstglieder, dennoch verfügen die hier untersuchten Texte über zehn Expressive Komposita dieses Typs, u.a.: Tüchtigkeitsgesicht oder Seelenpoppelei, die innere Vorgänge und mentale Prozesse der Exilanten im Forschungsgegenstand schildern. Obwohl theoretisch gesehen abge-leitete Adjektive als Erstglied nicht vorkommen, findet sich bei Graf das Adjektivkompositum konzentrisch-laut, welches ebenso als einziges Beispiel für den seltenen Typ der determinie-renden Adjektiv-Adjektiv-Komposita gilt. Zudem verwendet Graf viele Zweitglieder, die nicht reihenbildend sind, z.B. -dunstig, -nüchtern und -geschäftig. Zur Semantik der Komposi-tionsglieder lässt sich festhalten, dass sich Graf bei den Expressiven Komposita zahlreicher Naturelemente bedient, und zwar vor allem als Erstglieder von Adjektivkomposita, wie amei-sengeschäftig oder tapiräugig; sowie von Substantivkomposita wie Urwaldgesicht. Man könn-te diese Elemente als Gegenbild zur Großstadt und als Ausdruck der Sehnsucht des bayri-schen Autors nach der freien Natur betrachten. Die Mehrheit der Komposita beruht auf einer Ähnlichkeitsbeziehung zwischen beiden Konstituenten. Die Komparation gilt als die dominie-rende Wortbildungsbedeutung der Adjektivkomposita, wie weiberhell oder raupenrund. In den metaphorischen Substantivkomposita überwiegt die umgekehrte Determination wie Re-desturz oder Stimmenlast. In den meisten Partizipial-Komposita werden Erstglieder als Urhe-ber einer menschlichen Handlung personifiziert, welche in übertragener Bedeutung im Zweit-glied expliziert wird, z.B. dämmervermummtes Zimmerloch. Metonymisch ist vorwiegend das Erstglied, z.B. in der temporalen Metonymie altersabgeklärt oder in der kausalen vogelzart. Synekdochische Komposita bilden eine kleine Gruppe innerhalb der Substantiv- und Adjek-tivkomposita. Oft steht das Erstglied in diesen Komposita in übertragenem Sinn, z.B. qua-dermächtig. Können Grafs Expressive Komposita als eine Weiterführung der literarischen Nachkriegssituation zur Wiedergewinnung einer neuen deutschen Sprache gelten? Oder ent-spricht die Informationskonzentration in den Komposita vielmehr der optischen und akusti-schen Fülle der amerikanischen Metropole? Die stilistische Analyse der Expressiven Komposi-ta hat klar gezeigt, dass dieses Wortbildungsmittel zur Akzentuierung der Isolation und Fremdheit deutscher Exilanten in New York beigetragen hat. Auf jeden Fall lässt sich zum Schluss fragen, ob diese Ergebnisse mit der allgemeinen Einschätzung Grafs als Heimatdichter in Einklang zu bringen sind.